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Auf dieser Seite sind die von mir geschriebenen Artikel aufgelistet. Das sind erstmal nur Artikel von der Moskauer Deutschen Zeitung und der DeutschenPresseAgentur (dpa) Moskau, wo ich im Herbst 2002 Praktika gemacht habe. Frohes Lesen!
Artikel-Übersicht:
Bestechung in der Kaderschmiede: der Alltag an russischen Unis, (dpa) Moskau, 02.11.2002.
Moskaus Theater spielen trotz des Geiseldramas weiter, (dpa) Moskau, 25.10.2002.
«Es wird schon gut gehen» – Angehörige bangen um Leben der Geiselnr (dpa) Moskau, 25.10.2002.
Wunschkonzert mit Pistole: Bewaffneter überfallt russischen Sender (dpa) Moskau, 11.10.2002.
Sturmwarnung fur Musikpiraten: Russland macht mobil gegen Raubkopien. (dpa) Moskau, 10.10.2002
Als Zivi zur Waffenfabrik? Russlands Verweigerer haben keine Wahl. (dpa) Moskau, 6.10.2002
Nachwuchsmanager mit dreifachem Vorteil: Russische Studenten pauken deutsche Betriebswirtschaft. (mdz) Moskau, 23.09.2002
Moskauer Wiesn auf dem Trockenen. (mdz), Moskau, 23.09.2002.
Moskau, 02. November 2002:
Bestechung in der Kaderschmiede: der Alltag an russischen Unis
Von Thomas Alboth, dpa«Bevor ich die Aufnahmekommission der Uni bestechen muss, habe ich mir lieber gleich ein privates, bezahltes Studium gesucht», sagt der Jurastudent Andrej (21). Eine Bekannte habe so viel für die Aufnahme ausgeben müssen, dass er davon fünf Jahre die hohen Studiengebühren von rund 3000 Euro im Jahr zahlen könne. Das sei Andrej lieber.
Vor dem Studium müssen russische Studenten die Aufnahmeprüfungen durchlaufen. Dafür gehen die meisten oft ein halbes Jahr oder länger in Vorbereitungskurse. Doch die sind teuer – die Stunde mit dem Repetitor kostet oft mehr als 50 Euro. Nur dafür, dass seine Tochter den Sprung in das Moskauer Spracheninstitut schafft, hat Juri Petrowitsch fast ein halbes Jahr lang arbeiten müssen – jeden Tag von morgens um acht bis nachts um eins in drei verschieden Jobs. Jetzt kann seine Tochter dafür kostenlos studieren.
Nicht selten bereiten die Vorbereitungskurse auch die Bestechungen vor. Wenn die Prüfungen näher rücken, der Unterricht schon tausende Rubel verschlungen hat und die Angst der Studenten wächst, bieten zahlreiche Repetitoren eine Garantie für die Aufnahme an. Gegen Geld versteht sich. Das wird dann unter den Mitgliedern der Auswahlkommission aufgeteilt, in der meist auch der Repetitor selbst sitzt.
Um auf die Weise einen Platz im der juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an einer der renommierten Moskauer Staatsuniversitäten zu bekommen, sollen in diesem Jahr einzelne Studenten bis zu 40.000 Euro Bestechungsgelder gezahlt haben. Damit ist schon vor den Prüfungen klar, wer den Sprung schaffen wird.
Doch auch während des Studiums zahlen lieber einige Studenten ein paar hundert Dollar an die Dozenten, um ihre Examensergebnisse zu verbessern. Dafür muss man jedoch die richtigen Leute kennen. «Die Professoren sind ja auch nicht blöd, denn wenn sie erwischt werden, gehen sie für ein paar Jahre in den Knast», sagt Andrej.
Ein Grund für die Bestechlichkeit russischer Lehrkräfte ist vor allem ihr geringer Verdienst. Viele Lehrkräfte können ohne Zusatzverdienste oder einen zweiten Job nicht überleben.
Man muss jedoch in Russland nicht erst in die Universität gehen, um ein Diplom zu bekommen. In den U-Bahn-Stationen der Haupstadt stehen Leute mit kleinen Schildern «Zeugnisse, Diplome». Auch im Internet und Zeitungen finden sich solche Anzeigen. Ein Diplom ohne Studium kostet dort nicht mehr als 5000 Dollar.
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- sueddeutsche.de
Moskau, 25. Oktober 2002:
Moskaus Theater spielen trotz des Geiseldramas weiter
Von Thomas Alboth, dpaMoskau (dpa) – Trotz des Geiseldramas in einem Konzerthaus im Südosten Moskaus geht das Kulturleben der russischen Hauptstadt weiter. Im Bolschoi-Theater, dem berühmtesten Theater Russlands, ist am Donnerstagabend, 24 Stunden nach Beginn der Geiselnahme tschetschenischer Rebellen, von Angst nichts zu spüren. «Das Leben geht weiter», meint die Verkäuferin an der Theaterkasse. «Sollen wir zu Hause sitzen und uns fürchten?» Die Kunden kämen wie jeden Tag, und sie habe nicht weniger Karten als sonst verkauft.
Auch die anderen Häuser am Moskauer Theaterplatz, nur ein paar Meter vom Kreml entfernt, spielen. Doch nicht überall scheinen die Besucher so mutig zu sein wie im Bolschoi. Insgesamt seien am Donnerstag zwei Drittel weniger Karten für Bühnen, Kinos oder Konzerte verkauft worden, ergibt eine Umfrage der Agentur Interfax.
Von Panik allerdings oder von verschärften Sicherheitsvorkehrungen ist im Stadtzentrum der 10-Millionen- Metropole nichts zu spüren. Während sich das Gelände um die Bühne des Musicals «Nord-Ost» in eine Festung verwandelt hat, herrscht im Zentrum Ruhe. Gespenstisch wirken die Plakate, die an vielen Stelle Reklame für das Musical machen.
Doch die Frau an der Einlasskontrolle des Bolschoi sitzt ruhig in ihrem roten Samtsessel. «Das Haus ist voll, das sieht man doch.» Oliver Rotthege, ein Schüler aus Düsseldorf, ist ebenfalls zu der Vorstellung von Modest Mussorgskis Oper «Chowanschtschina» gekommen. Von der Geiselnahme habe er selbstverständlich gehört. «Ich habe schon darüber nachgedacht, das was passieren könnte. Doch der Gedanke, dass nichts passiert, überwiegt bei mir», sagt er.
«Das ist schon furchtbar. Wir sitzen hier und lauschen der Oper, es wird schöne Musik gespielt, und in dem anderen Haus alles so furchtbar», sagt die Rentnerin Ljudmilla Schigulina. «Aber wir hatten die Karten doch schon vor langem gekauft.»
Die Moskauer trotzen der Angst. Die Russen sind selbst zur Zeit des Zweiten Weltkrieges ins Theater gegangen. «Außerdem kann Dir überall was passieren, auf der Straße oder in der Metro», meint der Junge Viktor Ljubzun selbstsicher. «Wieso zu Hause bleiben?» Nadeschda Kowatschik schaut sich ebenfalls das Stück im Bolschoi an. Sie glaubt daran, dass die Miliz alles im Griff habe. Nein, Angst habe sie keine. Das ehrwürdige Bolschoi ist an diesem Abend nicht stärker gesichert als sonst. «Zwei Sicherheitsleute haben wir», sagt die Aufsichtsdame. Vor dem Haus stehen nicht mehr als drei Polizisten in Uniform.
Schräg gegenüber vom Bolschoi geht im Jugendtheater das Musical «Notre Dame de Paris» wie jeden Abend über die Bühne. Es seien nicht weniger Zuschauer gekommen als sonst, eher mehr, meint der stellvertretende Theaterdirektor Dmitri Nasadow. «Wir haben mit den Kollegen telefoniert. Die spielen, also spielen wir auch.» In der Nähe des Kremls fühle er sich sicher.
25.10.2002 06:41 MEZ
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- newsclick.de (Braunschweiger-Zeitung, Salzgitter-Zeitung und Wolfsburger Nachrichten)
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- lippe-online.de
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- Leipziger Volkszeitung
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- Südkurier-online
- Lübecker Nachrichten
- Osterländer Volkszeitung
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- Dresdener Neueste Nachrichten
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- owl-online.de (Neue Westfälische, Lippische Landes-Zeitung, Mindener Tageblatt)
- Ostsee-Zeitung
Moskau, 25. Oktober 2002:
«Es wird schon gut gehen» – Angehörige bangen um Leben der Geiseln
Von Thomas Alboth, dpaMoskau (dpa) – Während in der Konzerthalle in Moskau schwer bewaffnete tschetschenische Rebellen bis zu 700 Menschen in ihrer Gewalt halten, spielt sich draußen vor der Tür das zweite Drama ab. Dort harren verzweifelte Angehörige aus. Eine ältere Frau mit zerzauster Frisur hält das Foto eines Mädchens hoch. «Meine Tochter ist da noch drin», ruft die Moskauerin. Die Angst seht ihr ins Gesicht geschrieben. Eine enge Kette von Polizisten verhindert, dass Angehörige dem Theater zu nahe kommen.
Viele Verwandte haben bei nasskaltem Schneeregen bereits die ganze Nacht in der Melnikowa-Straße verbracht. Sie wurden am Mittwochabend von Anrufen ihrer Lieben aufgeschreckt, die sich eigentlich bei einer Musicalvorführung vergnügen wollten und sich urplötzlich in einem Drama wiederfanden, bei dem es um Leben und Tod geht.
Das Flieger-Musical «Nord-Ost» ist seit Monaten der Kassenschlager im Moskauer Theaterleben. Die maskierten, in Tarnanzüge gekleideten Rebellen stürmten während des zweiten Akts in den Konzertsaal und brachten Zuschauer, Darsteller und Personal in ihre Gewalt.
Den Angehörigen auf der Straße machen nicht nur die Waffen und der Sprengstoff der Rebellen im Gebäude Angst. «Was geschieht, wenn die russischen Spezialeinheiten das Musiktheater stürmen?», fragen sich viele. In Todesangst rufen immer wieder Geiseln über Mobiltelefon Bekannte und Verwandte an. «Bitte, bitte nicht stürmen, wir werden sonst alle in die Luft gesprengt», sagt ein gefangen gehaltener Junge übers Telefon einem Fernsehbericht zufolge.
In ihrer Not haben sich die Angehörigen auf der Straße zusammengefunden. Um Fassung ringend, verliest eine Frau eine gemeinsame Erklärung gegen die Stürmung des Gebäudes. «Schont das Leben unserer Kinder, Frauen und Männer», flehen die Menschen vor zahlreichen Fernsehkameras.
Das Gelände rund um das Theaterzentrum im Südosten Moskaus gleicht am Donnerstag einer Festung. Bereits in der Nacht hatten Polizei und Armee die Straßenzüge weiträumig abgeriegelt. Gepanzerte Wagen wurden aufgefahren. Scharfschützen bezogen in den umliegenden Gebäuden Stellung. Gebäude wurden evakuiert.
Psychologen und Einsatzkräfte der Polizei fordern die Angehörigen auf, sich in eine Turnhalle zu begeben und dort abzuwarten. «Es wird schon gut gehen», redet eine Betreuerin ihnen beruhigend zu.
25.10.2002 06:41 MEZ
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- Die Welt, 28.05.2002, S. 3 ***
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- owl-online.de (Neue Westfälische, Lippische Landes-Zeitung, Mindener Tageblatt)
- lippe-online.de
- saarland-online
- MV-WEB (Nordkurier, Ostseezeitung, Schweriner Volkszeitung)
- intrinet.de
- Remscheider Generalanzeiger Online
- Dresdener Neueste Nachrichten – Online
- Oberhessische Presse
- Osterländer Volkszeitung
- Kölnsche Rundschau
- Siegener Zeitung – Online
- Hannoversche-Allgemeine-Online
- Neue Ruhr-Zeitung-Online
- Bietigheimer Zeitung Online
- Esslinger Zeitung – Online
- Berliner Zeitung Online
- web.de – News
- Nürtinger Zeitung online
- Augsburger Allgemeine
- stimme.de / news
- wissen.de
- Ostfriesische Nachrichten Aurich – Online
- Neue Oderzeitung ***
- es gibt noch einige mehr, doch darauf habe ich gerade keine Lust mehr….
Moskau, 11. Oktober 2002:
Wunschkonzert mit Pistole: Bewaffneter überfallt russischen Sender.Moskau (dpa) – Mit der Pistole am Kopf eines Radiomoderators hat ein Betrunkener in Russland am Freitag sein privates Wunschkonzert erzwungen. Der mit einer Gaspistole bewaffnete Tater habe auf der fernöstlichen Halbinsel Kamtschatka die Eingangstür des lokalenRadiosenders «Radio 3» eingetreten und sei in das Studio gestürmt, wie die Agentur Interfax meldete. Der Mann drohte, die gesamte Technik zu zerstören, wenn seine Lieder nicht gespielt würden. Der alarmierten Polizei gelang es, den Randalierer zu überwältigen.dpa ta/sv xx ma 111111 Okt 02
Russland/Kriminalitat/Buntes/
Moskau, 10. Oktober 2002
Sturmwarnung fur Musikpiraten: Russland macht mobil gegen Raubkopien.
Von Thomas Alboth, dpa =Moskau (dpa) – Das russische Mekka fur Musik- und Filmbegeisterte verbirgt sich hinter alten Fabrikmauern im Westen Moskaus. Die «Gorbuschka» ist Europas größter Umschlagplatz fur Raubkopien von Audio- und Software-CDs sowie Videos. Russland steht in dem schlechten Ruf, nach China weltweit der zweitgößte Hersteller von illegalen Kopien zu sein. Über Jahre schien das kaum einen russischen Politiker ernsthaft zu kümmern. Doch nun kann das Land mit einer Aufnahme in die Welthandelsorganisation WTO rechnen und will deshalb dem Raubkopierertum ein Ende setzen.Den Hunderten von kleinen Händlern in der «Gorbuschka» soll es an den Kragen gehen. Doch die Betroffenen wirken nicht sonderlich beunruhigt. «Im Moment gibt es viel Geschrei, doch das wird auch wieder ruhiger», sagt Sergej. Er ist Fachmann fur Populäres von ABBA bis Zappa und lebt seit vier Jahren vom Verkauf der illegalen Scheiben. «Unser Geschäft ist zwar rechtlich nicht ganz in Ordnung, doch Ärger habe ich noch nie bekommen», sagt der Verkäufer. Die gefälschten Musikalben, Kinofilme und Computerprogramme sind konkurrenzlos billig. Weniger als drei Euro kosten die günstigsten
CD’s. «Im Raubkopieren sind wir Weltmeister», sagt mit Stolz ein russischer Student, der sich sein Geld damit verdient, die Covers für die illegalen Kopien zu designen. Die aktuellen Top-Hits von «No Doubt» und «Eminem» sind auf den Ladentischen der «Gorbuschka» ebenso zu finden wie neueste Software. Mancher Film taucht dort bereits vor der offiziellen Kino-Premiere in den Regalen auf, weil er in den USA schon vom Schneidetisch weg kopiert wurde.
Nach Angaben der Internationalen Vereinigung der Phonoindustrie (IFPI) hatte der russische Markt mit Piraterieprodukten im vergangenen Jahr einen Volumen von über 240 Millionen Euro. Im größten Land der Erde sind schätzungsweise 80 Prozent aller CDs und CD-Roms sowie rund 60 Prozent alles Videos Raubkopien. Das Problem ist jedoch nicht neu. Bereits seit vielen Jahren blüht in Russland der Handel mit Raubkopien und genauso lange versuchen ausländische Organisationen, Moskau zu einem härteren Vorgehen gegen die «CD-Piraten» zu bewegen. Vereinzelte Großrazzien der Polizei konnten das illegale Gewerbe nicht eindämmen. Anfang Oktober verkündete die russische Regierung, die Urheberrechter müssten stärker geschützt werden.
Angefangen hatte alles zu Sowjetzeiten als kleiner Musik-Schwarzmarkt in einem Moskauer Park, der nach der Zerfall des alten Systems immer populärer wurde. Ende 2000 ließ die
Stadtverwaltung die Händler vertreiben, weil bei den Geschäften keine Steuern gezahlt wurden. Doch der Handel verlagerte sich nur an andere Ecken der Metropole mit neun Millionen Einwohnern. Im Frühjahr 2001bekam der illegale Handel ein Dach über den Kopf. Wie im Supermarkt können die Kunden nun täglich von 10 bis 20 Uhr im «Gorbuschka-Palast» ihren eigentlich verbotenen Neigungen nachgehen.
Quittungen bekommt man zwar noch immer nicht, doch das ist dem Kunden egal – Hauptsache billig. «150 Rubel pro CD sind für mich die absolute Schmerzgrenze», sagt der Musikliebhaber Andrej und steckt sich seine neuen Ska-CD’s in die Tasche. Eine lizenzierte CD für 500 Rubel (16 Euro) könne er sich nicht leisten. Auch der Verkäufer pflichtet Andrej bei: «Wenn es die Raubkopien nicht mehr gibt, dann hören die Russen auch keine Musik mehr, sondern trinken wieder Wodka.» Aber das gelte in Russland ja auch als Kultur, scherzt derVerkäufer.
dpa ta/sv xx 101526 Okt 02
Russland/Freizeit/KORR/
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Moskau, 06.2002:
Als Zivi zur Waffenfabrik? Russlands Verweigerer haben keine Wahl
Von Thomas Alboth, dpa =Moskau (dpa) – Russlands erste Zivildienstleistende galten lange Zeit als Pioniere des Pazifismus. Nun droht den etwa 20 jungen Männern in der Stadt Nischni Nowgorod doch noch der Armeedienst. Nach der Wahl eines neuen Bürgermeisters soll in der Wolgastadt 400 Kilometer östlich von Moskau das umstrittene Pilotprojekt für Wehrdienstverweigerer gestoppt werden. Zwar gibt es seit einem Vierteljahr ein eigenes Gesetz über den Zivildienst in Russland, doch einflussreiche Militärs und Regierungsmitglieder zeigen wenig Interesse an einer schnellen Einführung des Ersatzdienstes.Die Zivildienstleistenden im Nowgoroder Krankenhaus wollen die Flinte nicht ins Korn werfen. «Warum sollte ich meine Sachen packen? Wir arbeiten erst mal weiter», sagt Wladimir Korotschkin dem Fernsehsender NTW. Das zuständige Kreiswehrersatzamt will die «Drückeberger» schnellstens in eine Kaserne schicken. «Im Moment gibt es kein gültiges Gesetz für den alternativen Dienst. Kommt das Gesetz, werden wir es auch anwenden», erläutert der Offizier Michail Krylow.
Seit mehr als zehn Jahren kämpfen Wehrdienstverweigerer in Russland um Anerkennung. Die Verfassung erkennt zwar seit 1993 das Recht auf Verweigerung an, doch einen geregelten Alternativdienst gibt es bis heute nicht.
Unabhängig von der individuellen Gewissensentscheidung schrecken die Zustände in Russlands Armee viele junge Männer vom Wehrdienst ab. Neben dem Krieg in Tschetschenien droht den Rekruten die berüchtigte «Dedowschtschina», die Gewaltherrschaft älterer Soldaten über die Neuankömmlinge. Totschlag oder Selbstmord sind in den Kasernen keine Ausnahme. Nach Schätzungen des Verbandes der russischen Soldatenmütter kommen jedes Jahr bis zu 3000 Soldaten in den eigenen Einheiten ums Leben.
Frühestens Ende 2003 soll das «Gesetz über den alternativen Staatsdienst» umgesetzt werden. Diese Zeit wollen liberale Duma-Abgeordnete noch nutzen, um Verbesserungen für die Zivildienstleistenden zu erreichen. Denn das Ende Juni verabschiedete Gesetz dient nach Ansicht der einstigen Initiatoren nun eher zur Abschreckung und als «Strafe» für die Verweigerer.
«Das Gesetz ist furchtbar. Lieber gar kein Gesetz als dieses», sagt Walentina Melnikowa vom Komitee der Soldatenmütter. Auch Sergej Kriwenko von der Organisation «Sostradanije» (Mitgefühl) ist mit der jetztigen Regelung unzufrieden. Der Dienst sei mit bis zu 3,5 Jahren viel zu lang im Vergleich zum zweijährigen Wehrdienst. Zudem müssen Verweigerer fürchten, in militärische Einrichtungen wie zum Beispiel Waffenfabriken oder Baubrigaden geschickt zu werden. Ein Recht auf Widerspruch gegen die Abkommandierung sieht das neue Gesetz nicht vor.
Bei der Bezahlung und der Ernährung sind Soldat und Verweigerer mehr oder weniger gleichgestellt. Ein Zivildienstleistender soll monatlich 450 Rubel (umgerechnet 15 Euro) erhalten. Das reicht zum Überleben nicht. Viele junge Männer werden auch weiterhin von ihren Familien abhängig sein.
Wenn der Zivildienst tatsächlich Ende 2003 eingeführt wird, rechnen Experten nur mit einer verschwindend geringen Beteiligung. Von den 1,2 Millionen Wehrpflichtigen hätten im vergangenen Jahr nur etwa 3000 von ihrem Recht auf Verweigerung Gebrauch gemacht, schätzt die Organisation «Sostradanije». Von den Verweigerern seien nur etwa 400 tatsächlich zum Ableisten eines Alternativdienstes bereit.
Die Zahlen sind so gering, weil es auch genügend andere Möglichkeiten gibt, um die Armee herumzukommen. Gegen Bestechung kann man sich im Kreiswehrersatzamt freikaufen oder einen Arzt dazu bewegen, notwendige Atteste auszustellen. Findige Geschäftsleute bieten in der öffentlichkeit entsprechende Kontakte an. Ein Gebrechen lasse sich für jeden finden, heißt es vielversprechend im Internet.
dpa ta sv xx 041519 Okt 02
Russland/Verteidigung/KORR/
Moskauer Deutsche Zeitung, 23.September 2002:
Nachwuchsmanager mit dreifachem Vorteil: Russische Studenten pauken deutsche Betriebswirtschaft.
Moskau – Am 6. September bekamen 14 russische Absolventen des deutschsprachigen Studiengangs in Betriebswirtschaftslehre (DSG) ihre Zeugnisse überreicht. Das gemeinsame Projekt der Moskauer Staatsuniversitat fur Management und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Passau ermöglicht ihnen, ab Oktober für ein Semester in Passau zu studieren.
„Eine Regressgerade muss man so legen, dass die Summe der quadratischen Abstände der Punkte von der Geraden minimiert wird.“ Wer diesen Satz nicht versteht, muss kein schlechtes Gewissen haben, denn auch den beiden Studentinnen Olga und Anja, die ihn unisono herbeten können, geht es nicht anders. Doch in der Klausur richtig hingeschrieben, war er ein kleiner Schritt zum Zeugniss des Deutschen BWL-Studiengangs.Bereits zum siebten Mal konnten die Studenten der Moskauer Management-Uni zusätzlich zu ihrem regulären Wirtschaftsstudium an dem zweijährigen Kurs teilnehmen. 144 Russen haben bisher diesen Abschluss geschafft. Dr. Andrea von Knoop, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Deutschen Wirtschaft in Russland, sieht in den Absolventen eine hervorragende Personalressource für die rund 2 700 deutschen Firmenvertretungen im Land. Sie können perfekt deutsch, sammeln Auslandserfahrung in der Bundesrepublik und haben neben dem russischen Diplom ein Zertifikat, das dem deutschen BWL-Grundstudium gleich kommt.
Nicht zufällig waren zur Zeugnisverleihung im Daimler-Chrysler-Haus auch Vertreter deutscher Unternehmen eingeladen. Einer von ihnen ist Jörg Lage, Repräsentanzleiter des Baustoffherstellers Rehau in Moskau. Trotz eines Einstiegsgehaltes von 1 200 US-Dollar pro Monat – nicht nur für Absolventen in Moskau eine sehr gute Bezahlung – konnte er bisher keine geeigneten Bewerber für eine Managerstelle finden. „Wer auch nach diesem Abend noch Interesse hat und sich bei mir meldet“, sagt er, „hat gute Chancen, diesen Job zu bekommen.“
Doch an die hochbezahlte Anstellung dachten nur wenige, als sie mit dem zweijährigen Kurs begannen. Die Doppelbelastung haben sie auf sich genommen, weil der DSG eine einmalige Chance ist, das deutsche BWL-Studium kennen zu lernen. Den Studenten Alexander Sokolow storte an den russischen Vorlesungen immer, dass er jedes Mal anwesend sein und alles mitschreiben musste, unabhängig davon, ob er es wichtig fand oder nicht. Bei den deutschen Kursen hingegen sei es entscheidend, dass man in den Prüfungen gut ist. Und diese werden, anders als an russischen Universitaten üblich, schriftlich abgelegt. Darauf bestanden die Passauer, als sie 1994 den Studiengang einführten. Sie wollten damit deutsche Standards schaffen und verhindern, dass die Zensuren manipulierbar sind. Dies scheint verständlich, ist es doch in Russland nicht selten üblich, das Ergebnis der mündlichen Prüfungen mit ein paar Dollar fur die schlecht bezahlten Lehrkräfte zu verbessern.
Mitte September sind die ersten Studenten nach Deutschland geflogen, um ab Oktober für ein Jahr an der Universitat Passau zu lernen. Die Stipendien dafür zahlt der Deutsche Akademische Austauschdienst, der in den DSG bisher rund eine halbe Million Euro investiert hat. Die Chance auf einen Studienaufenthalt war fur Alexander Sokolow Grund genug, trotz einer gut bezahlten Stelle in einer Bank zurück an die Uni zu gehen und im Rekordtempo von einem Jahr alle Prüfungen hinter sich zu bringen. Er wollte unbedingt zurück nach Deutschland, wo er als Sohn eines russischen Offiziers fünf Jahre seiner Kindheit verbracht hat.
Ob jedoch Olga und Anja in Passau die Regressgerade verstehen werden, bleibt offen. Wenn es nach ihnen geht, soll die Zeit in Passau vor allem eines bringen – Spaß.
Moskauer Deutsche Zeitung, 23.September 2002:
Moskauer Wiesn auf dem Trockenen: Bier war auf dem ersten Moskauer Open-Air-Oktoberfest ebenso selten wie Besucher
Von Thomas Alboth und Roman Konzeck,
Foto: Thomas AlbothMoskau – Ein Oktoberfest ohne den berühmt-berüchtigten Gerstensaft klingt wie ein schlechter Scherz. Doch den Moskauer Veranstaltern ist genau das geschehen: Wegen eines neuen Gesetzes durfte beim ersten Open-Air-Oktoberfest im Eremitage-Garten kein Bier ausgeschenkt werden. Bayrische Feststimmung wollte dabei nicht so recht aufkommen.
Mehrere Millionen Besucher, 14 Festzelte, ein breiter Strom der beliebtesten bayrischen Gerstensäfte und natürlich ausgelassene Stimmung, wohin das Auge schaut – so die alljährliche Bilanz des berühmten Münchner Oktoberfestes in Deutschland.
Ganz so viel hatte sich das kleine russische Pendant nicht vorgenommen. Aber 5 000 Besucher hätten es schon sein sollen, die im Eremitage-Garten Ende September dem Abschluss des Moskauer Oktoberfestes und urbayrischem Brauchtum frönen sollten. Das veranstaltende Reise-Magazin „Voyage” hatte eigens eine große Bühne aufgebaut, ein Showprogramm mit Band und Kinderprogramm auf die Beine gestellt, zwei namhafte Brauereien eingeladen und nicht zuletzt 200 Liter Oktoberfestbier aus dem fernen Bayern herbeigekarrt – auf dass keine Kehle trocken bleibe.
Aber weit gefehlt, feuchtfröhlich war bestenfalls das wechselhafte Wetter. „Piwa netu, Maltschiki”, rief der Wirt den wenigen Trinklustigen im fast leeren Bierzelt entgegen. Und auch an anderen Ständen erging es den Durstigen nicht anders: Kein Tropfen Gerstensaft ging über die Theke, kein Plastikbecher füllte sich mit leckerem Fassbier.
Dabei wäre es zur Genüge vorhanden gewesen, nur verkauft werden durfte es nicht. „Am Morgen sind zwei Beamte vom Moskauer Kulturausschuss gekommen und haben erklärt, dass es ein neues Gesetz gebe, welches den Ausschank von Alkohol auf Massenveranstaltungen untersage”, erklärt Ravi Kumar, Chef des Magazins „Voyage”. Und Pawel Poskossow, Werbechef des Veranstalters, meint verbittert, dass Moskaus Oberbürgermeister Jurij Luschkow damit wohl der Gefahr des Alkoholismus Herr werden wolle. Über die Höhe der finanziellen Einbußen gaben beide keine Auskunft, doch die Verärgerung war ihnen am Gesicht abzulesen.
Geschlagen geben sich die Oktoberfest-Organisatoren trotz der diesjährigen Pleite aber nicht. Das nächste Bierspektakel im Jahr 2003 sei schon in Planung, so Poskossow. Mit Hilfe der deutschen Fluggesellschaft Lufthansa, die ihre Unterstützung bereits zugesagt habe, solle dann alles besser werden.
Auf jeden Fall sollten die Veranstalter dabei das zünftige Zubehör nicht vergessen. Denn im VIP-Zelt des diesjährigen Festes hätte es auch ohne neues Gesetz durstige Kehlen gegeben. Vier glänzende Fässer, gefüllt mit bestem bayrischem Gerstensaft, standen bereit – allein eine passende Zapfanlage fehlte.
Den wenigen ausharrenden Gästen blieb daher nichts anderes übrig, als ihre Plastikbecher mit Flaschenbier oder nichtalkoholischen Getränken zu füllen. Schunkellaune nach bayrischer Art wollte dabei nicht recht aufkommen. Schon am Nachmittag entzündete der Moderator unter lauen „Hurra Oktoberfest”-Rufen auf der Bühne das kleine Feuerwerk. Danach packte er ein und ging .