Rund Bornholm // Showdown on Baltic Sea
14. Juli 2007Die gebrochene Ruderanlage war der willkommene Anlass, endlich diese Regatta aufzugeben, die Sturmsegel einzurollen, den Motor an- und sich durch Regen, Wellen, Gischt und Depressionen des Nachts dem Heimathafen Warnemünde entgegenzuwerfen.
Doch fangen wir weiter vorne an. Eigentlich dämmerte es uns schon vor dem Start, dass diese Regatta nicht zu gewinnen und nur schwerlich in Ehren nach Hause zu tragen ist. Unsere geliehene Yacht – auf dem Papier ein schneller Zeitgenosse – brachte uns in Klassen von Feinden die uns schon vor dem Start das Fürchten lehrten: sie zauberten Spinnacker, Genacker, Genuas und andere Gemeinheiten aus ihren Bootsrümpfen und türmten sie auf dem Steg aus. Wir hatten es aufgrund der ganzen technischen Pannen im Vorfeld noch nicht einmal geschafft, unseren Spinnacker auch nur einmal hochzuziehen und waren schon froh, das wenigstens unsere Ruderanlage inzwischen wieder einigermaßen funktionierte und sich unser Schiff steuern ließ.
Doch noch hatten wir die Hoffunng nicht begraben oder wohl noch nicht begriffen, dass wir als Sonntagsfahrer plötzlich mitten in einem Wettkampf geraten sind, bei dem Deutsche Meister und andere Helden mit am Start waren. Doch der Start – der war noch gut. Start kannten mein Vater und ich noch aus unseren Regattazeiten: Man muss zur rechten Zeit am rechten Fleck der Startlinie sein und sein Schiff in schnell Bewegung wenn es losgehen soll. Das hatten wir vorher als Team erfolgreich ein paar Mal geübt und konnten es nun wiederholen.
Doch schon nach ein paar Stunden Durchqueren der Ostsee in der Nacht war klar, dass die anderen einfach schneller waren, dass sie schon lange ihre Fingerübungen gemacht hatten um nun die Klaviatur einer Seeregatta in allen Kadenzen durchzuspielen, während anfingen, Tonleitern zu üben und unser Schiff, seine Segel, seine Schoten und seine Besatzung langsam kennenzulernen. Wir waren noch viel zu sehr mit Boot und uns selbst beschäftigt, um an die Regatta zu denken.
Und dann der Wind, das Wetter, die Route – bei 300 Seemeilen (rund 550 km) ist es nicht ganz unentscheidend, welchen Weg man einschlägt und bei einem 48 Stunden-Trip macht es einen Unterschied, ob man weiß, wie das Wetter am nächsten Morgen sein wird. Es scheint, als war das den anderen Helden klar, als konnten sie sogar die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Wir haben das auch versucht, haben für uns eine Begründung gefunden, warum wir Bornholm lieber von von Süden, als von Norden aus runden sollten. Doch spätestens nachdem auch wir die Umrundung von Bornholm geschafft hatten war uns klar, dass wir die anderen, entgegenkommenden Schiffe viel zu früh getroffen hatten, dass allein dass Begründung genug gewesen wäre, die andere Route zu wählen.
Mit dieser Erkenntnis war jegliche Hoffnung auf Heimkehr in Ehren und wohl auch ein Stückchen unserer Männlichkeit im Sechsmännerteam begraben. Der Feind war übermächtig – er war verbarg sich plötzlich nicht mehr nur hinter gegnerischen Schiffen, sondern auch hinter dem Meer, dem Wind, den Wellen, dem Regen, ja in uns selbst, unserer Müdigkeit, unserem gebrochenen Kampfeswillen, den Verlockungen der Maschine.
Dieser übermächtige Feind hatte irgendwann hinter Darß und Hiddensee auch den letzen demoralisiert, ließ uns die Segel streichen. Das Ruder gerade an dieser Stelle nicht mehr gehen wollte brachte das Faß zum überlaufen. Doch genau genommen war es eher ein Strohhalm an den man sich klammern konnte, der Ausweg aus der Kapitulation vor sich selbst – es gab einen guten Grund ehrenhaft den Motor zu starten und froh darüber zu sein, überhaupt Stunden später, des Nachts wieder im Heimathafen sicher gelandet zu sein.
Wir haben alle viel gelernt, über uns, das Segeln, Seeragatten, uns selbst und jeder hat wohl seine eigene kleine Lehre daraus gezogen. Ich will auf jeden Fall wieder dabei sein im nächsten Jahr. Doch bis dahin gibt es noch viel zu lernen.
Am 15. Juli 2007 um 21:55 Uhr
Hallo Thomas,
danke für Deinen tollen Bericht. Der Törn, die Tage mit der Crew und Deine Bilder lassen unser Erlebnis nicht vergessen. Es war suuuuuuuper!! Dein Vater trumpfte auf der Rückfahrt noch einmal als Koch auf: reichhaltiger Gemüseeintopf, einfach so, als wäre es aus der Dose, toll!
Gruß Peter
Am 22. Juli 2007 um 17:41 Uhr
Hallo Tom,
Da finden sich eine Reihe etwas “reiferer” Herren (eigentlich alle mit einer gewissen Segelerfahrung) und ein Youngster zusammen, um eine Regatta zu fahren und suchen sich gleich eine Langstreckenregatta als Testobjekt heraus. Als wir Donnerstag Nacht angekommen sind, war ich der Meinung, vielleicht doch ein falsches Hobby zu haben. Ich muß das korrigieren: Es war eine Super Erfahrung; Ich habe viel dazugelernt, wir haben altes (verrottetes) Wissen wieder aktualisiert (Danke Dir und Deinem Vater) und …… ja ich schließe mich Deiner Meinung an: Ich würde gern auch wieder dabeisein; vielleicht schaffen wir dass mit der gleichen Crew (Lerneffekte nutzen)
Für den Bericht kann ich mich Peter nur anschließen; gut getroffen
Rainer
Am 23. Juli 2007 um 11:36 Uhr
wow, lieber Tom,
Du kannst nicht nur klasse segeln, sondern auch super gut schreiben. Habe die Zeilen mit viel Freude gelesen.
Abschließend, nach zwei Wochen “Alltag” und dem Vergessen der stressigen Momente, kann ich nur sagen: “Ich könnt’ schon wieder…”
Grüße
Bernhard