Kriegsgedanken
26. März 2003
Auch wenn ich mich innerlich gegen die Kriegsmeldungen und die alltäglichen Bildertriaden von schlachtenden Panzern, betenden Irakern, toten Soldaten, toten Zivilisten, toten Kindern im Fernsehen über sträube – umgehen kann ich sie nicht.
In den letzten Wochen die quälende Frage, wie man gegen eine, alle völkerrechtlichen Konventionen ignorierende Supermacht ankommen, wie man sie in die bestehenden rechtlichen Schranken weisen könnte. Es kam sogar die leise Hoffung auf, der UN-Sicherheitsrat könnte den Krieg noch verhindern und die USA würden sich diesem Votum beugen. Dieses Nachdenken ist seit letzter Woche überflüssig – was bleibt ist Verbitterung.
Kriegsbeginn Donnerstag Nacht, wieder Demonstrationen auf der ganzen Welt; auch in Berlin. Dort stehen Jungen von vielleicht fünfzehn Jahren und verbrennen unter johlendem Beifall und Kreischen der Menge eine Amerika-Flagge. Kleine Jungs rennen durch die Gegend und krakeelen, dass Hitler und Bush das Gleiche wären. “Warum?” “Na die begehen beide Völkermord!”
Wir befinden auf der Spitze eines Anti-Amerikanismus. Doch wem gilt dieser Hass? Wer ist schuld an dem einseitig geführten Krieg – die Amerikaner, Bush, beide?
Ich glaube, es ist kein Hass auf die Amerikaner an sich, der zur Zeit auf der ganzen Welt aufblüht. Er richtet sich vielmehr gegen die chauvinistische Politik Bushs und seiner Regierung. Bush ist Kristallisationspunkt und Aufladestation alter Ressentiments gegen Amerika, Bestätigung dafür, dass Kultur und humanistisches Denken bei uns, aber eben nicht in Amerika beheimatet sind. (So argumentieren übrigens nicht nur die Europäer.)
Die Kritik aus Europa an dem texanischen Cowboy füllte schon die Feuilletons der deutschen Tageszeitungen, da war dieser noch nicht einmal ins Weiße Haus eingezogen. Jeder konnte zur Zeit des amerikanischen Wahlkampfes herbeten, wie viele Todesurteile es unter Bush gab, wie er zu Homosexuellen, zu der Kirche, zur Waffenlobby, zum Umweltschutz oder zur Industrie steht und welche Ansichten er zur Außen- und Sicherheitspolitik vertritt. Das war jedem bekannt.
Eigentlich hätten schon im Jahr 2000 alle wissen müssen, welche Folgen der Amtsantritt des Texaners mit sich bringen würde. Lediglich den 11. September konnte niemand vorhersehen. Doch auch heute tut George W. genau dass, was von ihm erwartet wurde, er hat seine Kritiker nicht enttäuscht und genau dafür hasst man ihn. Gleichzeitig ist man deprimiert über die eigene Machtlosigkeit und die offene Verletzung geltenden Rechtes gepaart mit einer voraufklärerischen Polemik. George W. passt nicht mehr in unsere Zeit.
Doch warum sollten wir die Amerikaner hassen? Kann man ihnen nicht einmal vorhalten, sie hätten George W. gewählt? Wer hat uns je glaubwürdig darlegen können, dass es nicht die mediale Inszenierung sowie eine imperfektes Rechtssystems schuld daran sind, dass die meist gehasste Person der Welt Präsident der letzten Supermacht ist. Gut, er hat dieses Amt auf formalem Wege erhalten, doch es waren nicht die Wähler, sondern die Gerichte seine Herrschaft legitimierten. Doch müssen sich auch die Amerikaner kritisch fragen, was sie getan haben, um diesen Krieg zu verhindern.
Vielleicht hätte es sich aus heutiger Sicht gelohnt, die Wahlzettel noch einmal und noch einmal durchzuzählen. Vielleicht würden wir dann heute nicht gegen einen Irakkrieg auf die Straße gehen müssen, vielleicht würden keine Stars’n Stipes unter johlendem Beifall verbrannt werden – zumindest nicht in Berlin.
Erinnern wir uns an die Tage nach dem Anschlag in New York. Tausende Blumen lagen damals vor den amerikanischen Botschaften, überall drücken Kerzen Mitgefühl für das amerikanische Volk aus. Genau dieses Mitgefühl drücken die gleichen Menschen heute wieder aus, wenn sie vor amerikanischen Botschaften stehen.
MR. BUSH – STOP THIS WAR!!!
Thomas Alboth